Schädlinge, Krankheiten sowie der Wegfall von Pflanzenschutz- mitteln setzen dem Zucker- rübenanbau immer noch zu. Die Züchtung von resistenten Sorten ist die effektivste Lösung, um die künftigen Erträge zu sichern. Eine Herausforderung ist es, den Rübenertrag, den Zuckergehalt und die Resistenzen unter einen Hut zu bekommen.
Der Zuckerrübenanbau in der Schweiz ist unter Druck, da die Anbaubereitschaft in den letzten Jahren drastisch sank (2016: 20 000 ha; 2022: 15 868 ha). In diesem Jahr konnte die Anbaufläche mit 16 420 ha wieder leicht erhöht werden. Ein deutlich höherer Rübenpreis (+ 8 Fr./t), eine bessere finanzielle Absicherung möglicher Ertragsausfälle über zusätzliche Prämien sowie besser angepasste Sorten dürften einige Gründe dafür sein.
Herausforderung Pflanzengesundheit
Schädlinge und Viren, welche bis 2018 kaum auftraten, verursachen heute gelbe Felder mit niedrigen Zuckergehalten und -erträgen. Die aus Frankreich eingewanderte Schilfglasflügelzikade und verstärkter Blattlausbefall sind die Hauptverursacher. Aber auch Erdflöhe, Erdschnaken und andere Bodenschädlinge lassen sich mit der noch verbliebenen Saatgutbeize «Force» nicht mehr ausreichend kontrollieren.
Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz sind zwingend gesucht. Die Züchtung von Sorten mit Mehrfachtoleranzen gegen möglichst alle oben genannten Schädlinge und Virosen ist gefordert und bietet die beste Lösung für einen erfolgreichen und effizienten Rübenanbau. Während die Streichung eines Wirkstoffes meist schnell erfolgt, dauert die Züchtung einer Marktsorte min- destens zehn Jahre und kostet mehrere Millionen Euro.
Steigerung des Rübenertrags
Der Züchtungsfortschritt der Zuckerrübe ist beachtlich und mit keiner anderen Kulturart vergleichbar; lagen in den 60er-Jahren die Rübenerträge in der Schweiz bei 45–50 t/ha, so konnten sie bis 2007 auf 70–80 t/ha gesteigert werden. In den Folgejahren bis 2017 stagnierten die Erträge in der Praxis, die Gründe dafür sind vielfältig. Der Fokus des gewünschten Sortenportfolios lag in dieser Zeitspanne auf den Zuckergehaltstypen, wie beispielsweise Robinson oder Hannibal, und nicht auf den Rübenertrag pro Hek- tare. Die Kombination von hohem Zuckergehalt mit hohem Rübenertrag ist eine ungelöste, züchterische Knacknuss. Der Zuchtfortschritt im Zuckergehalt ist minim, während im Rübenertrag 1,5 Prozent Ertragsfortschritt pro Jahr möglich sind. Darum wurden die Sortenanforderungen zugunsten eines höheren Rübenertrages mit besseren Resistenzkombinationen neu definiert. Finanzielle Nachteile ergeben sich dadurch für die Produzenten nicht. Allerdings wird der auf der Rübenabrechnung ausgewiesene Zuckergehaltsbonus geringer ausfallen, wobei dieser durch den höheren Rübenertrag kompensiert werden sollte. So betrug der durchschnittliche Zuckergehalt der letzten fünf Jahre in der Ostschweiz 16,9 Prozent und liegt 0,7 Prozent tiefer als der Zuckergehalt der vorangehenden zehn Jahre (2007–2017). Der Rübenertrag war aber in den letzten fünf Jahren durchschnittlich 3,4 t höher, sodass der geringere Zuckerbonus kompensiert wurde. Die tieferen Zuckergehalte können einerseits durch die ertragsstärkere Genetik, andererseits durch den Wegfall von Pflanzenschutzmitteln erklärt werden. In der Westschweiz hingegen nahmen ab 2018, im Vergleich zum zehnjährigen Mittel (2007–2017), der Zuckergehalt von 18 Prozent um insgesamt 2 Prozent und der Rübenertrag um 6,5 t/ha ab. Diese starke Depression ist einerseits durch die zunehmende SBR-Krankheit, andererseits aber auch durch die viröse Vergilbung (vor allem im Jahr 2020) bedingt.
Bessere Blattgesundheit
Ein weiterer züchterischer Meilenstein ist die Verbesserung der Blattgesundheit während der letzten 20 Jahre. Mit Lucata kam 2006 die erste Cercospora-resistente Sorte auf den Markt, es folgten Budera (2008) und Elaina KWS (2011). Die Resistenz ging anfänglich auf Kosten des Ertrags. Das sehr tiefe Ertragsniveau bei fehlendem Cercospora-Druck und die Verfügbarkeit wirksamer Fungizide führte dazu, dass die Sorten keine grosse Marktdurchdringung erzielten. Samuela KWS war die erste moderat tolerante, ertragsbetontere Sorte (ab 2013). Die Blattgesundheit der sehr zuckerreichen Sorte Hannibal stellte sich als ungenügend heraus. Die Blattgesundheit des gesamten Portfolios verbesserte sich ab 2017 von anfällig nach moderat tolerant. Moderat tolerante Sorten vermögen bei schwachem bis mittlerem Befallsdruck den Ertrag besser zu stabilisieren. Im Jahr 2020 kam mit Novalina KWS erstmals eine hochtolerante Sorte mit hohem Ertragspotenzial auf Befalls- und Nichtbefallsflächen auf die Sortenliste. Vor etwa zehn Jahren fand die KWS eine neue Resistenzquelle, welche ein noch höheres Resistenzniveau mit grünen Blättern bis zur Ernte aufweist und unter Befall und Nichtbefall eine hohe Leistung zeigt. Sorten mit dieser Eigenschaft werden CR+ genannt. Die Knack- nuss «Cercospora-Resistenz kostet Ertrag» konnte somit gebrochen werden. Die erste CR+-Sorte kam 2022 in der Schweiz in den Anbau (Escadia KWS), 2023 stehen neu zwei weitere CR+-Sorten im Anbau (Interessa KWS und BTS 1740).
Wie erfolgt die Cercospora-Behandlung der neuen CR+-Sorten?
Abhängig von Witterung, Mikroklima im Bestand, Anbaudichte und Verteilung sowie Sortentoleranz breiten sich die Cercospora-Blattflecken im Juli mehr oder weniger stark und schnell aus. Die verdorrten Blätter, welche die Überdauerungsorgane des Pilzes enthalten, bilden das Anfangsinokulum des Folgejahres. Die Bekämpfung wird jedes Jahr schwieriger, da immer weniger fungizide Wirkstoffe zur Verfügung stehen und sich zudem bereits eine verringerte Wirksamkeit der zwei noch verbliebenen Triazolen zeigt. Ein nachhaltiges Resistenzmanagement zum Schutz der verbleibenden Fungizide und der Resistenzgene ist zwingend. Wichtig ist daher, dass die Blattfläche bis im Herbst grün bleibt. Und dies kann mit dem Anbau der neuen, leistungsfähigen hochtoleranten Cercospora-Sorten (CR+) und gezieltem Fungizidschutz erreicht werden. Alle Sorten müssen wie bisher mit Erreichen der Behandlungsschwelle behandelt werden. Da die Krankheitsentwicklung der CR+-Sorten deutlich langsamer verläuft, wird der erste Behandlungszeitpunkt etwa ein bis zwei Wochen später erreicht, und das Spritzintervall kann, abhängig vom Befallsdruck, verlängert werden. Dadurch können bis im Herbst eine bis mehrere Fungizidapplikationen eingespart werden. Wichtig bleibt auch bei den CR+-Sorten die Feldkontrolle. Der Kontrollaufruf erfolgt über die BetaSwiss-App.
Dr. Madlaina Peter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin – Zuckerrübenfachstelle